Freitag, 6. Oktober 2006
und was ist dein treibstoff...
ein gedanke der mir gerade kam, nachdem ich völlig übernächtigt im zug wachgeworden bin nach einem trip ins scheinbar sinnlose denver/colorado...

Ich bin aufgewacht und habe gemerkt - whoops du bist zuhause, also fast...zuhause wo ein berg wäsche auf dich wartet für den du die letzten zwei wochen keine zeit hattest, zuhause wo - aus gleichen gründen das toilettenpapier ausgegangen ist, dringend mal wieder gesaugt werden muß ( wieso staubt es in einer wohnung in der praktisch niemand wohnt ?), ein schreibtisch mit papierkram zu erledigen überquillt und - vielleicht die dringiichste angelegenheit - zuhause wo ein sehr guter freund gerade erfahren hat daß er hiv positiv ist.

das letztere hatte ich schon irgendwie erwartet - wir sind zusammen zum test gegangen, der tag war genauso sonnig unnd irgendwie frühlingsversprechend wie heute. zusammen saßen wir ein wenig perplex - wie schnell doch die prozedur abläuft wenn man sich selbst und dem leben eine wegbereitende frage stellt. zusammen saßen wir danach und haben auf die bahn gewartet, zusammen haben wir mental und laut denkend eine liste gemacht mit den dingen die wir noch erleben möchten - egal wie das ergebnis ausfällt nur im einen fall etwas dringlicher in der ausführung.

ich selbst kam zu dem schluß daß mein leben bisher gut war, sehr gut sogar, denn von den vielen wünschen die es da geben mag bleibt eigendlich nur ein einziger übrig als das "goldene vlies"...vielleicht im moment der unerreichbarste. Die welt habe ich gesehen, nicht die ganze das schafft man nie aber doch soviel daß ich sagen könnte "es reicht für ein leben", auch habe ich genügend menschen kennengelernt um sagen zu können es hat mich erfüllt. Erfahrungen, ich denke da habe ich auch überdurchschnittlich in viele bereiche reinschauen dürfen - die schönen wie die weniger schönen...

Was fehlt also bei mir - wohl dem urtrieb der reproduktion folgend der wunsch kinder aufwachsen zu sehen...

Mein guter freund war an dem tag voll von wünschen kinder hat er schon, das kapitel hat er abgeschlossen als er selbst noch kind war, nur hat er bisher nicht wirklich die zeit gehabt sie aufwachsen zu sehen...beide stehen schon kurz vorm eintreten in die pubertät. Reisen will er noch, einmal nach amerika - new york ins besondere, den jakobsweg gehen und ach soo viele andere länder und städte die für mich irgendwie zum alltag geworden sind in meinem beruf...lieben, die richtig echte liebe erfahren dürfen wünscht er sich...und schon schiebt sich eine wolke in seinen blick der vorher noch sonnig klar von weiter ferne sprach, denn wer wird ihn denn schon noch lieben wollen wenn da das schicksal zuschlagen sollte ?

das schicksal hat viele gesichter. omnipräsent umgibt es dich, es ist nicht fest so scheint es und meinen die einen, es ist vorherbestimmt und unumgänglich tönt es von der anderen seite, doch greifen kann es doch keiner.

das schicksal hat bei eben diesem guten freund zugeschlagen...der wolf im schafspelz, der virus in verkleidung eines 19 jährigen, blond und blauäugig - wie auch der geisteszustand von meinem guten freund als er sich damals sagte "was soll schon passieren, der kleine ist frisch geoutet, wir sind in einer beziehung, er hat gesagt ich kann ihm vertrauen, er sei gesund..."

dieses schicksal hat in meinem bekannten kreis schon häufiger diese verkleidung genutzt - diese scheinbare sicherheit der "beziehung" die dann doch nicht den versuchungen der außenwelt gefeit war und auch nicht manns genug um über fehltritte reden zu können, zu wollen, zu dürfen...

ich bin zuhause, mit der frage im gepäck was ist der motor, die motivation die uns menschen am laufen hält - was ist ein universeller grund um in schwierigen zeiten zu sagen "scheiß drauf was war und prosit auf das was kommt - egal wie, ich will das morgen auf jedenfall mitnehmen..."

dieses gefühl kenne ich von mir - zweimal habe ich an die pforte geklopft wo dieses leben aufhört und zweimal hat man mir unmissverständlich klar gemacht, das es noch nicht der richtige zeitpunkt ist. seit dem weis ich für mich "alles klar - weitermachen, bis man dich ruft"...

und doch läßt sich das alles nicht greifen, nicht wirklich in worte fassen und kommunizieren in die zukunftswüste einer nahestehenden person ohne das es banal und irgendwie abspeisend klingt. Denn wenn ich ehrlich zu mir selber sein würde so wüßte ich keine antwort auf die aussage "ich will nicht mehr, ich will nicht leiden, ich will nicht stigmatisiert und fremdbestimmt, versteckt und isoliert, abhängig ein leben auf raten leben" lebenserhaltende maßnahmen würde ich dennoch treffen, lebensbejahende injektionen in gesprächen liefern...aber selber mit einem loch im konzept mit dem wissen das alles irgendwann zuende ist...ob das ende nun die brücke an einem sonnigen tag sei oder das kollabieren sämtlicher vitalen funktionen an einem anderen tag - ob sonnig oder verregnet, im schneegestöber oder wenn die ersten blätter von den bäumen fallen...

wir haben an diesem sonnigen tag auch noch weiter gesponnen an unserer liste - irgendwann kamen wir zu dem gedanken aktiv unsere beerdigung selbst inszenieren zu wollen. Bilder unseres lebens und der menschen die es begleitet haben sollen irgendwann als diashow laufen, verbrannt will man werden und am liebsten übers meer und land verstreut werden, die menschen sollen weiß gekleidet sein - ein openair begräbnis im warmen, rosen sollen durch callas lilien ersetzt werden und geweint werden soll nur für kurze zeit mehr aus dem gefühl "was hätte man noch alles erleben können"


als ich in die s-bahn steige schaue ich mir die leute an und versuche in ihren gesichtern zu lesen was sie antreibt, wie sie vom schicksal getestet wurden...

eine antwort bildet sich langsam die mir sagt das kaum ein mensch sich wirklich und lange mit dem gedanken quält, das ursprung und motor des lebens wohl auf dieser zufälligkeit beruht. und aus dem "Nun mal hier sein eben das beste draus machen"...was auch immer das für den einzelnen sein mag.

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