Donnerstag, 21. Juni 2007
heimweh
...vor fast zehn jahren stieg ich das zweite mal in meinem leben in ein flugzeug um mich auf eine reise zu begeben die mir gleichzeitig das herz zum schlagen bringen würde um es gleichzeitig wieder herauszureißen...

nach 25 stunden flugzeit war ich dort wo man als pubertierender kleinstädtler am liebsten sein mag: am anderen ende der welt.

dort erlebte ich ein gefühl das ich bis heute nicht greifen kann, eine mischung aus freiheit, zugehörigkeit, familie, freundschaft, sich selber sein dürfen, liebe, erkenntnis, ja - lebendigkeit die sich so anfühlte als hätte ich endlich alle meine sinne beisammen um leben wirklich mit leben füllen zu können.

das ganze erschloss sich mir im kreise einer verrückt-liebenswerten familie, die mich nach einer anfänglichen bruchlandung in der mir zugeteilten gastfamilie, nicht nur rettete sondern als gleichgestelltes familienmitglied aufnahm.

wie jeder neuseeländer waren auch sie immigranten, die in den 70er jahren aus UK übergesiedelt waren. späthippies mit reichlich drogen erfahrung die über die jahre hinweg gelernt hatten sich ein leben aufzubauen das vom schlagwort "organic" inspiriert wurde. Sie waren nicht nur urfamilie der ersten bioläden sondern auch gründer der ersten genetic-engeneered-free produzierenden tofufabrik. absolute cracks was macrobiotische ernährung, yoga sowie startrek anging das ganze aber auf eine wunderbar undogmatische art und weise. in dem haus im buschland im westen der inoffiziellen hauptstadt lebten wir - drei generationen durch die wirren des lebens ein wenig geschüttelt und ausgesiebt - unter einem dach.

granny - die auch für mich immer nur granny war, war mit ihren paarundachzig jahren zwar stocktaub aber immer noch der meinung autofahren zu können. das tat sie auch - einmal die woche, wenn sie sich erst zu ihrer yoga(!) stunde kutschierte um danach ihre belohnung - chinese take away - mit ihrem granny typischen, immer währendem lächeln nach hause zu bringen.

mum, sie ist nicht zu beschreiben - ohne das wort "ideal" zu benutzen gemischt mit "unprätensiös genial", eine persönlichkeit die in der lage war dir am mittagstisch auf eine unnachahmliche art und weise einen erlebnisbericht über den gebrauch von halluzinugenen drogen abzuliefern welcher dir gleichzeitig die lust gab es auszuprobieren aber auch die erkenntnis freisetzte die finger davon zu lassen, aus eigener entscheidung. sie war der meinung das alles vermeintlich böse was ihre kinder (mich miteingeschlossen) ausprobieren wollten doch bitte schön in ihrem haus stattfinden solle und nicht etwa unter irgendeiner brücke vor einem überstrengvorsichtigem elternhaus fliehend...

dementsprechend starke persönlichkeiten waren auch ihre beiden kinder, meine neuen geschwister.

die toleranz die in dieser familie gelebt wurde war ergebnis einer ehrlichkeit sich und dem leben gegenüber die für mich wegweisend wurde. sei es die transexuelle von prostitution lebende "tante" der an aids gestorbene schwule turnlehrer onkel...es gab keinerlei ausgrenzung innerhalb dieser familie und jedem lebewesen begegnete man mir dieser warmen, sich kümmernden, humorvollen, liebenden art und weise ohne daß das ganze in eine weltverbesserer schiene gelandet wäre.

noch heute lebe ich mit dem paradoxon in dieser zeit meinen lebenswillen eingehaucht bekommen zu haben und gleichzeitig mit meinem abflug das stückchen heimat was ein berufsnormade wie ich erleben kann, zurückgelassen zu haben, in dem gewissen daß diese zeit nicht wieder zu holen ist so tief verwurzelt sie auch in mir schlummert.

und doch ist es der motor der träume die immerwieder kehrend hoffnung keimen läßt irgendwann einmal "nach hause" zurück zu kehren.

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